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Ein Buch über Tee
Wo Tee getrunken wird
Drei Dinge auf dieser Welt sind höchst bedauernswert:
- Das Verderben bester Jugend durch falsche Erziehung,
- das Schänden bester Bilder durch gemeines Angaffen
- und die Verschwendung besten Tees durch
unsachgemäße Behandlung.
Kaiser Hui-tsung
Städte haben ihre Schicksale wie Menschen, sie erleben ihre
Romane wie wir. London erlebte den Roman des Tees. Es begann mit einem
königlichen Kapitel. Die schöne portugiesische Prinzessin
Katharina von Braganza segelte, wohlbehütet von
Würdenträgern und Hofdamen, nach England, um dort König
Charles II. zu heiraten. Als Hochzeitsgeschenk brachte sie ihm vier
Pfund Tee mit. So kostbar war er damals noch.
Doch das änderte sich. Bald pflügten die berühmten
Tee-Klipper, diese großartigen Gebirge aus windgeblähten
Segeln, die Weltmeere, um die neuen Tee-Ernten in regelrechten
Wettrennen möglichst schnell von Asien nach England zu bringen.
Der Endspurt, 90 Kilometer die Themse hinauf, wurde jedesmal ein
Volksfest; das Derby war nichts dagegen. Die Leute verwetteten ihren
letzten Penny, der ihnen dann fehlte, um Tee zu kaufen.
London wurde Zentrum des Teewelthandels, und die englischen
Küsten von Cornwall, Dorset und Kent wimmelten von
Teeschmugglern. Denn die Ostindische Compagnie diktierte mit ihrem
Monopol die Preise, die Teesteuer war auch gepfeffert, und so
besorgten sich gewitzte Händler die begehrte Ware billig und
zollfrei von holländischen Schiffen im Kanal. Schließlich
war die Hälfte des in England getrunkenen Tees Schmuggelware. und
es wurden phantastische Mengen getrunken.
Damals gab es in London 2000 Kaffeehäuser, aber nun kam der
Tee und schwemmte sie alle hinweg. Und hob die Moral, jawohl, die
Tugendwächter jener Zeit haben es lobend notiert. Die Randalierer
aus den Kaffeehäusern und die Betrunkenen aus den Ginkellern
saßen jetzt sittsam in großen Teegärten beisammen,
die es in allen Stadtteilen gab, einen besonders beliebten auch in
Marylebone, wo Sherlock Holmes später seine berühmte
»Detektei« hatte. Ein Spaßvogel meinte, die
Engländer glaubten nur sonntags an Gott und alltags an ihren Tee,
und so ist es bis heute geblieben.
Wer behauptet, London sei eine nüchterne Männerstadt
ohne seidenen Zauber, der müßte damals gelebt haben, als
ganze Rudel bildhübscher, durchaus nicht prüder
Teemädchen auf den Adelsgesellschaften und in den
Herrenhäusern der Stadt den Tee ausschenkten. Eins dieser
Teagirls hieß Emma Harte und war die Tochter eines Hufschmieds.
Später heiratete sie den Archäologen Sir William Hamilton,
und nun wird sie Ihnen schon bekannter vorkommen. Als Lady Hamilton
wurde sie eine der reizvollsten Schönheiten ihrer Epoche, von
Goethe bewundert, und geliebt vom einäugigen Seehelden Lord
Nelson, den sie täglich in ihrer Villa auf dem Vomero in Neapel
zur zärtlichen Teestunde empfing, während Sir William am
Vesuv Altertümer ausgrub. Denken Sie daran, wenn Sie das
nächstem al eine »Seezunge Lady Hamilton« bestellen -
oder eine »Ochsenzunge Lord Nelson«. Übrigens, die
englische Küche bekommt immer eine ganz miserable Note. Aber hat
sie uns nicht so unsterbliche gastronomische Genüsse beschert wie
Cumberland Sauce, Mockturtlesuppe, Schildkrötensuppe Lady Curzon,
Irish Stew, Welsh Rarebits (überbackene Käsebrötchen),
Seezunge Cecil Rhodes und Schnepfe a la Queen Victoria?
Heute ist das moderne Babylon an der Themse mit seinen 8 Millionen
Teeisten viel fröhlicher, toleranter und kosmopolitischer als in
den dreißiger Jahren. Moderne Kaffeebars florieren an tausend
Ecken, Italiener und Zyprioten hantieren an zischenden
Espressomaschinen. Erobert der Kaffee London zurück? Fast scheint
es so. Die Jugend, aus Opposition zum Althergebrachten, trägt
nicht nur Miniröcke und Christusbärte, sie verlangt auch aus
Prinzip ein »anderes« Getränk. Jetzt also den Espresso.
Aber - abwarten und Tee trinken! Noch heute streiken in England die
Arbeiter, wenn sie ihren Tee nicht regelmäßig und in
gewohnter Güte bekommen. Noch schlägt Big Ben, Londons
Großvateruhr im Turm des Parlaments, die Teestunden. Noch gibt
es all die gemütlichen Inns, die Tearooms in altem Mahagoni.
Neuerdings haben sich die meisten Konditoreien zugelegt. Mag
draußen vor den kleinen viktorianischen Fensterscheiben
dünner Regen oder dicker Nebel auf Sie warten, you enjoy your tea
and take it easy - Sie genießen erst mal Ihren Tee und
fühlen sich geborgen zwischen all den süßen
Leckereien, den duftigen Bergen von englischen Kuchen,
Blätterteig, Kopenhagener Gebäck, scones, muffins und hot
cross buns.
Ach ja, die gute alte Queen! Vierundsechzig Jahre herrschte sie
über Old England mit Mutterwitz, Weisheit und bemerkenswerter
Fruchtbarkeit, umgeben von ihren neun Kindern. Das hat sie als
Backfisch bestimmt nicht geahnt. Ihre Erziehung war damals der
Herzogin von Northumberland anvertraut, und diese äußerst
sittenstrenge Lady war überzeugt, der Teufel verführe ein
junges Mädchen besonders gern zu zwei schweren Sünden: der
Lektüre der »Times« und dem Genuß von Tee. Beides
verbot sie ihrem Zögling strikt -
Sie können sich denken, mit welchem Erfolg. Gleich nach der
Krönung 1848 holte die frischgebackene junge Queen einmal tief
Atem, und dann verlangte sie die neueste »Times« und eine
Tasse Tee. Beides wurde ihr schnellstens gebracht. »Nun
weiß ich erst, daß ich wirklich herrsche«, soll sie
gesagt haben, und der Tee blieb zeitlebens ihr Lieblingsgetränk -
neben Whisky.
Mit der festlichen Premiere der Verdi-Oper »Aida« sollte
1868 der Suezkanal eröffnet werden, und Queen Victoria
lächelte zufrieden, denn sie hatte Disraelis Rat befolgt und
heimlich alle Suez-Aktien für England aufgekauft.
Nun war der Seeweg nach Indien nur noch eine Spazierfahrt, und
immer mehr köstlicher Tee kam alljährlich in die Mincing
Lane - dort finden Sie noch heute die Londoner Teebörse und die
Lagerhäuser der großen Tee-Importeure.
Victoria soll auch die Sitte des Nachmittagstees eingeführt
haben, der im ganzen Empire zelebriert wurde und oft das Abendessen
vorwegnahm. Dieser high tea ist aber keine Kuchenorgie nach
Hausfrauenart. Zum kräftigen süßen Tee mit Milch
reicht man leichte und leckere Beigaben - hauchdünne Sandwiches,
Kekse, Waffeln, Ingwerbiskuits und den goldgelben Buttertoast mit
köstlich herben Jams und Gelee.
Aus der Zeit gibt es sogar noch Zeitzeugen. Wenn auch
nichtsprechende. Der Rolls-Royce mit dem die Mutter der Queen
Elizabeth sich immer zum Tee chauffieren lies ist heute in Händen
von Beat Stadelmann. Und der ist damit sogar in seinem 65. Lebensjahr
noch aus der Schweiz nach Ludwigsburg in Baden-Würtemberg
gefahren. Dort fand 2007 ein großes stilvolles Treffen des RREC
statt. RREC ist der wohl berühmteste Rolls-Royce-Club der Welt.
Entsprechend dem Flair der schönen Autos wurde für das
Teffen kurzerhand das gesamte Schlosshotel Monrepos gebucht. Schneller
als mit Tempo 80 konnte Herr Stadelmann allerdings nicht anreisen, da
der Rolls aus dem Jahr 1936 pfleglich behandelt wird. Übrigens
hat Herr Stadelmann den Rolls schon als 22-Jähriger mit Hilfe
seiner Oma gekauft.
Wer den englischen Kaffee getrunken hat, der weiß. warum die
Engländer so leidenschaftliche Teetrinker sind.
Pierre Danilos
Überhaupt bestimmt die tea-time des Engländers den
Rhythmus des ganzen Tages. Das fängt schon frühmorgens im
Bett an, mit der »frühen Tasse«, dem early morning tea.
Dann folgt das gigantische Frühstück: Auf dem
Eßzimmertisch warten neben Tee nahrhafte Portionen Porridge,
halbe Grapefruits, Bücklinge, Nieren und Hammelkoteletts vom
Grill, ham and eggs, Toast, Brötchen und
Weißbrot-Sandwiches mit gekochtem Schinken -
»Klappstullen« würde ein Berliner sagen. Da kann man
getrost aufs Mittagessen verzichten. -
Probieren Sie das mal als Spätfrühstück am Sonntag:
lange schlafen und dann zwei Mahlzeiten zu einer zusammenlegen. Das
ist bequem und gesund, die Amerikaner tun's schon längst: Sie
ziehen sogar die Namen beider Mahlzeiten zusammen, aus breakfast und
lunch wird brunch.
Eine der schönsten Eigenheiten des englischen Lebens ist das
Wochenende auf dem Land. Während man noch tief schläft, wird
eine Tasse Tee auf den Nachttisch gestellt, der ein köstliches
Aroma verbreitet. Noch in Träume versponnen, beginnt man zu
schnuppern. Vom Teeduft geweckt zu werden ist ähnlich schön,
wie in einem Blumenhain zu erwachen.
Prinz Carl Anton Rohan
Jüngst war ich bei Baron Alfred de Rothschild zu Gast in
seinem Stadtpalais am Sedmore Place. Frühmorgens erschien ein
livrierter Diener in meinem Schlafzimmer mit einem riesigen
Servierwagen und fragte: »Wünschen Sie Tee oder einen
frischen Pfirsich, Sir ?« Ich bestellte Tee, Und Sofort kam die
nächste Frage: »Chinesischen, indischen oder Ceylon,
Sir?« Ich nahm indischen, und sofort ging es weiter: »Mit
Zitrone, Rahm oder Milch, Sir?« Ich entschied mich für
Milch, und dann wurde ich nach der Rinderrasse gefragt: »Jersey,
Herford oder Shorthorn, Sir?« Nie hat mir eine Tasse Tee
köstlicher geschmeckt, hier war ich wirklich Seine Majestät,
der Gast.
Cecil Rhodes
Nichts Einladenderes gibt es auf der Welt als ein englisches
Frühstück?. Es ist die angenehmste Stunde des Tages, und man
verlängert sie gern. Auf dem Rost lodert die Flamme, das elegante
Teegerät steht in zierlicher Ordnung auf dem schneeweiß
gedeckten Tisch. Die Dame des Hauses bereitet den Tee zwar viel
umständlicher, aber auch viel besser als hier. Alles geschieht
mit feierlicher Ruhe, die Engländer gern ihren Mahlzeiten geben,
denn sie mögen dabei keinen anderen Gedanken aufkommen lassen als
den des Genusses.
Johanna Schopenhauer, 1808
Wer in England anständig speisen will, muß dreimal am
Tage frühstücken.
W. Somerset Maugham
Für unsere Soldaten ist Tee wichtiger als Munition.
Winston Churchill 1842
Fr, 10.01.03, aktualisiert: 23:37
Kurioses
Aktuell
Englische Studie klärt die Frage: Wie macht man richtig Tee?
London (dpa/WEB.DE) - Eine der seit Jahrhunderten meistdiskutierte
Fragen Englands soll nun ein für alle Mal wissenschaftlich
geklärt werden: Wie macht man richtig eine Tasse Tee?
Die Königliche Gesellschaft für Chemie hat sich dieser
Aufgabe gestellt und will bis zum 100. Geburtstag des Schriftstellers
George Orwell ('1984') am 25. Juni 2003 die Frage beantworten.
Wie der «Independent» und die «Times» am
Donnerstag berichteten, hatte Orwell 1946 in dem wegweisenden Essay
«Eine schöne Tasse Tee» elf Regeln für die
Zubereitung des Nationalgetränks aufgestellt. Unter anderem
machte er sich dafür stark, nur vorgewärmte Teekannen zu
benutzen und ausschließlich aus zylindrischen Tassen zu trinken.
Die Königliche Gesellschaft will bei ihrer Untersuchung unter
anderem Geschmacksspezialisten konsultieren und auch die
Öffentlichkeit befragen.
»Ich muß dir leider den Kopf abschlagen lassen, mein
lieber Tschung-Hun-Wing.« sagte der letzte Kaiser der
Ming-Dynastie zu seinem Leibarzt. »Ich bin zwar von deiner
Unschuld überzeugt, doch die Richter haben dich verurteilt, und
ich muß die Gesetze achten. Aber ich will dir eine letzte Chance
geben. Der Großmandarin soll dir ein heiliges
Koro-Gefäß hinhalten. Darin wird ein Seidentüchlein
mit dem eingestickten Zeichen des Todes liegen und ein anderes mit dem
Zeichen des Lebens. Ziehst du das letztere, so bist du begnadigt;
ziehst du das erste, so wirst du geköpft, mein lieber
Tschung-Hun-Wing.«
Der gelehrte Arzt verneigte sich tief. Dann setzte er sich
nachdenklich neben eine Säule im Vorhof des Palastes. Er war ein
Opfer der Hof-Intrigen geworden. Es hatte damit begonnen, daß er
Sumi, die zarte Frau des Generals Wei-Pung-Tschi, als Patientin be
kam.
Sumis Wiege hatte auf der Insel Nippon gestanden. Ihre Haut war
durchsichtig wie der helle Himmel von Awaju, ihr Blick strahlte wie
der Frühlingsmond, die Lippen lächelten wie
Pflaumenblüten, und wie bunte Schmetterlinge entflatterten ihnen
die Worte. Aus ihrer Stimme hatte Tschung-Hun-Wing den ewigen
Nachtigallenton der Liebe vernommen. Unter seinen ohnmächtigen
Händen war sie gestorben, wie ein fallendes Blatt im Nachtwind.
Sofort hatten die Neider geflüstert: »Tschung-Hun-Wing hat
sie umgebracht, die kleine Frau des Wei-Pung-Tschi, Um sich an dem
General zu rächen!« Ein Sondergericht entschied :
»Tschung-Hun-Wing muß sterben! «
An all das dachte der unglückliche Arzt, als er hinter der
Säule im Vorhof des Palastes saß. Plötzlich vernahm er
leise Schritte und erkannte die Stimmen des Generals Wei-Pung-Tschi
und des Großmandarins.
»Wenn der Elende nun das Seidentüchlein mit dem Zeichen
des Lebens zieht« sagte der Großmandarin. »Dann war
all unsere Mühe, den Günstling des Kaisers loszuwerden,
vergeblich.«
»Er wird sterben«, antwortete der General. »Die
Sache ist höchst einfach, großer Mandarin. Du legst in das
Koro- Gefäß zwei Seidentüchlein, und auf beiden ist
das Zeichen des Todes eingestickt. Welches Tuch der Dummkopf auch
zieht, er wählt den Tod.«
Der Arzt hinter der Säule sank in sich zusammen. Nun war sein
Schicksal besiegelt. Denn falls er dem Kaiser alles erzählte,
würden seine Feinde entrüstet leugnen und ihn erst recht
hinrichten, wegen Verleumdung hoher Würdenträger.
Tschung-Hun-Wing ging in sein Studierzimmer. Es war die Stunde des
Tees, und er verstand sich meisterhaft auf die Kunst, den
Göttertrank so zu bereiten, daß seine edelsten
Eigenschaften geweckt wurden. Die besten Einfälle, die
schwierigsten Lösungen der mannigfachen Probleme der Heilkunst
verdankte er dem anregenden, belebenden Geist so mancher guten Tasse
Tees.
Vielleicht fand der gute Geist des Tees auch diesmal einen Ausweg?
Tschung-Hun-Wing leerte mit wachsendem Behagen eine Tasse nach der
anderen und dachte tief nach...
Am nächsten Morgen trat der Großmandarin auf den
Verurteilten zu und reichte ihm mit scheinheiligem Ernst das heilige
Gefäß. Tschung-Hun-Wing entnahm ihm ein
Seidentüchlein... und verschluckte es vor den Augen aller
Anwesenden. So mußte das zweite Tüchlein im
Gefäß geprüft werden.
Da es das Zeichen des Todes trug, so konnte Tschung-Hun-Wing nur
das Tuch mit dem Zeichen des Lebens gewählt haben, das ihn laut
Befehl des Kaisers begnadigte.
Aus der "Throneingabe über den Tee" von Xu Ranming.
Übersetzt von Erling Weinreich.
Tee trinkt man am besten, ...
- Wenn Herz und Hände in Muße weilen,
- Ermüdet vom Lesen der Schriftrollen,
- Wenn deine Stimmung in Aufruhr ist,
- Beim Lauschen von Musik und dem Schlagen des Takts,
- Wenn die Lieder verklungen sind, die Aufführung zuende,
- Bei verschlossener Tür, Flucht vor der Welt,
- Beim Spielen der chinesischen Zither und dem Betrachten von
Bildrollen,
- In tiefer Nacht, bei vertrautem Gespräch,
- Unter hellem Fenster und an einem reinen Teetischchen,
- In der Hochzeitsnacht, tief in den Gemächern,
- Wenn Gäste und Hausherr miteinander plaudern,
- Mit hohem Besuch oder kleinen Singmädchen,
- Gerade zurückgekehrt von einem Gelage bei Freunden,
- Bei mildem Wind und freundlicher Sonne,
- Bei leichtem Regen in der Dämmerung,
- An kleiner Brücke oder in buntem Kahn,
- In dichtem Wald, unter hohem Bambus,
- Beim Schneiden von Blumen, dem Fangen von kleinen Vögeln,
- Im Lotospavillon, vor der Hitze zuflucht nehmend,
- Wenn im kleinen Innenhof Weihrauch brennt,
- Wenn der Wein zur Neige gegangen und die Gäste fort sind,
- Wenn die Kinder in der Schule sind,
- In sauberen und stillen buddhistischen Tempeln,
- An berühmten Quellen und merkwürdigen Felsen.
Übersetzung: Erling Weinreich
erling.weinreich@bambushain.de
URL: http://www.bambushain.de/Projekte/tee.html
Rahel Varnhagen, Goethes »liebevolles Mädchen«, und
Henriette Herz, die schönste Frau der Berliner Jahrhundertwende,
versammelten Maler, Schauspieler und Diplomaten um sich zum Tee.
Manchmal erschien auch Prinz Louis Ferdinand mit seiner Geliebten
Pauline Wiesel. Nur der Maler Adolph Menzel verkroch sich in sein
Atelier. »Bin nicht zu Hause«, sagte das Schild, das er ein
für allemal an seine Tür heftete. Fanatische Arbeit
füllte seinen Tag, auch als er schon die kleine Exzellenz mit dem
»Pour le merite« war und, wie er selbst sagte, »in
Lorbeeren bis über die Knöchel watete«. War er beim
Essen eingenickt, so nahm er den groben Zimmermanns-Bleistift, um die
kalten Speisen und die dickbauchige Teekanne wenigstens noch zu
skizzieren.
Damals heiratete Goethe Christiane Vulpius, seinen
»Bettschatz«, das »unverdorbene
Gottesgeschöpf«, die Mutter seines unehelichen Sohnes
August. Da hatten die Damen der Weimarer Gesellschaft viel zu
klatschen. Sie kochten vor Empörung. Konnte man »diese
Person...« überhaupt einladen? »Nun«, meinte das
fortschrittlich gesinnte Fräulein von Göchhausen, »wenn
Goethe ihr seinen Namen gibt, so können wir ihr wohl wenigstens
eine Tasse Tee geben.«
Nach 4000 Jahren sind sich die Gelehrten darüber immer noch
nicht einig. Zahllos sind die Legenden und Histörchen um diese
Geburt.
Schon in alten indischen Märchen taucht der Tee als Gottheit
auf. Und die Sage erzählt vom indischen Königssohn
Bodhidharma, der bei buddhistischen Meditationen immer wieder vom
Schlaf übermannt wurde. Ergrimmt über seine menschliche
Schwäche, schnitt er sich die Augenlider ab. Sie verwurzelten in
der Erde, trieben grüne Blätter, Bodhidharma kostete davon
und verspürte eine Frische, die ihn mit Heiterkeit und Kraft
erfüllte. - Der Tee war entdeckt!
Heute hat Indien 600 Millionen Einwohner, 210 Millionen heilige
Kühe, über 700 Dialekte und 400 Tee-Rezepte. Ein
Märchenland von üppigbunter Schönheit.
Hier ging Vasco da Gama an Land und vor ihm Marco Polo. Hier lagen
die sonnigen Küsten mit Weihrauch und Myrrhe für die Schiffe
des Königs Salomon. Kolumbus hatte den Seeweg nach diesem Land
gesucht und dabei versehentlich Amerika entdeckt.
In Indien wimmelt es noch heute von Maharadschas, Gauklern,
Fakiren, Magiern und Mönchen; noch immer steckt es voller
Geheimnisse und Wunder. Und eins dieser Wunder ist sein Tee.
Ob die Götter im Himmel wohl Teetrinker sind? Es ist nicht
ganz bewiesen. Auf Erden ist Tee jedenfalls das Getränk, das nach
Wasser am meisten getrunken wird.
Neben der Legende vom indischen Königssohn Bodhidharma
existiert eine andere, die uns erzählt, daß es ein
»Sohn des Himmels« war, der die Wonnen des Teetrinkens
entdeckte.
Kaiser Shen-nung, der sehr auf Hygiene bedacht war, trank stets
abgekochtes Wasser. Eines 'Tages, im Jahre 1630 V. Chr., wehten Zweige
von einem Strauch des Palastgartens ins kaiserliche Trinkwasser und
färbten es goldbraun. Shen-nung kostete davon, fühlte sich
wunderbar belebt, und zu den zahlreichen Schriftzeichen der Chinesen
kam noch ein neues hinzu: tscha, der Tee.
Chinesische Kinder lieben ihr Märchen von der Porzellanpuppe,
der eine gütige Fee Teeblätter hinter die kühle Stirn
legte. So bekam sie die sanfteste Seele, ein geheimnisvolles
Lächeln und erwachte zu zärtlichem Leben.
Den Legenden folgt ein historisches Dokument: Im Jahre 1790 v.
Chr. veröffentlichte Lu-Yün, von Beruf Zirkusclown, sein
dreibändiges Werk über den Tee, diesen »Schaum aus
flüssiger Jade«. Er hatte es in seiner Freizeit auf
Reispapier getuscht. »Tscha-king « wurde ein Bestseller.
Wollen wir schnell einen Blick hineinwerfen? »Die besten
Blätter des Tees müssen gefaltet sein wie die ledernen
Stiefel der tartarischen Reiter, sich kräuseln wie die Wamme
eines mächtigen Büffels, leuchten wie ein vom Zephirhauch
bewegter See, einen Duft entfalten wie die aufsteigenden Nebel aus
einer einsamen Bergschlucht und saftig sein und weich wie die von
feinem Regen erfrischte Erde...«
Man sieht, der Clown Lu-Yün war auch ein Dichter. Er nennt
blau die ideale Farbe für Teegeschirr und rät, Tee zu
trinken,
wenn es leise regnet... wenn die Kinder in der Schule sind... im
Bambushain am Frühlingsabend... bei Vollmond... mit netten
Freunden und schönen Liebchen.
In meiner Ungestörtheit auf den Höhen des Himalaya
erfahre ich den höchsten Genuß des Teetrinkens. Wenn ich im
späten Zwielicht zurückkehre, durchdringt mich die
behagliche, gemütliche Wärme des Tees, während die
Schatten der Nacht über mein Bergnest schleichen. Wie oft
bedurfte es nur einer kleinen Tasse Tee, um mich mit Menschen bekannt
zu machen und eine Freundschaft fürs Leben aufzubauen.
P. Brunton : »Als Einsiedler im Himalaya«
Wandernde buddhistische Mönche trugen in China ihr Hab und
Gut auf dem Rücken mit sich herum. Dazu gehört auch der
Teekessel. Beide Geschlechter haben die Haare kurz geschoren. Daher
schreibt es chinesische Höflichkeit vor, einen unbekannten
Besucher zu fragen: »Bist du Mann oder Frau?« Erst dann
läßt man sich zu einer Tasse Tee nieder. Tao Chûn
Hoy Tien Ldo heißt der Besitzer eines Speiselokales in
Bangkok, berühmt im ganzen Fernen Osten. Die Speisekarte ist ein
dickes Buch, auf drei Etagen des Hauses gibt es märchenhafte
Dinge zu essen. Auf der vierten gibt es süße chinesische
Mädchen - ein Haus irdischen Glückes, in dem man auch
himmlischen Tee bekommt.
Hans Domizlaff
Tee hat schon bei Nobelpreis-Verleihungen eine Rolle gespielt.
Allerdings beim Anti-Nobelpreis Ignoble. Ignoble bedeutet soviel wie unehrenhaft. 1999
war bei der Preisverleihung ganz schön was los. Eine
tausendköpfige Menge johlte und warf mit Teebeuteln und anderem
flugfähigen Material.
- Der Physikpreis ging u.a. an Jean-Marc Vanden-Broeck für
die Berechnung einer Teekannentülle, die nicht tropft und
- der Literaturpreis ging an die British Standards Institution für eine sechs
Seiten umfassende technische Beschreibung, wie man eine Tasse Tee
zubereitet.
Die Info hab ich aus "DIE ZEIT" vom 14. Oktober 1999
Manchmal erwischt einen die Mathematik im unpassendsten Moment. Da
sitzt man völlig arglos mit seiner Familie an einem sonnigen Tag
draußen am Teetisch und freut sich des Lebens... Und die
Mathematik erwischt einen kalt. (Kann ja erfrischend sein, an einem
heißen Sommertag ;-)
Wer mehr wissen will liest unter Geometrie in der Teetasse weiter.
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